Pontius Pilatus. Römer, Ritter, Richter by Ralf-Peter Märtin

Pontius Pilatus. Römer, Ritter, Richter by Ralf-Peter Märtin

Autor:Ralf-Peter Märtin [Märtin, Ralf-Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104014289
Herausgeber: Fischer e-books
veröffentlicht: 2015-10-24T16:00:00+00:00


Ein intelligenter Kopf war der Papirius. Bisweilen etwas fad und immer fleißig. Ironisch gar nicht. Seine Arbeit nahm er furchtbar ernst. Auch hatte er was Wehes um den Mund. Das Leben galt ihm als Krankheit, gegen die befriedigende Medizin noch nicht gefunden war. Die striktest auferlegte Selbstkontrolle verließ ihn selbst beim Zechen nicht. Ein guter, nein, ein exzellenter Rechtsberater, doch kein Freund.

Mit Alexander ging’s ihm ähnlich. Der Grieche pflegte gequält zu lächeln, wenn Pilatus in seiner Gegenwart zu philosophieren wagte. Stets traf man ihn beim Denken an. Die ununterbrochene Produktion von Geistigem war ihm Genuss. Man munkelte, dass die Bedeutung seiner Schriften bereits so schwer wiege, dass die berühmte Bibliothek von Alexandria, um Schaden zu verhüten, sie ausnahmslos im Keller eingelagert habe. Er konnte nur zur Sache sprechen. Konversation war ihm zutiefst verhasst. Er liebte Wein, doch war er beim Trinken äußerst maßvoll. Pilatus hatte ihn von seinem Vorgänger im Amte übernommen, davor war er in Syrien, Ägypten und Kleinasien angestellt. Stimmte es, was er von seinen Oberen erzählte, so waren diese allemal Muster an Pflichtbewusstsein, Gerechtigkeit und bescheidener Lebensführung gewesen. Dagegen schien Pilatus ohne Glanz, wiewohl ihn dünkte, jenes wenig schmückende Epitheton, das ihm der Grieche angehängt im engsten Freundeskreis – und das man Pilatus stehenden Fußes überbrachte –, sei doch zu hart. »Der gute Halbe« hatte er ihn genannt, in Ansehung der Tatsache, dass Pontius Pilatus die großen Pläne nie ganz glücken wollten.

Es war nun an der Zeit, die Taktik des Großen Sanhedrin zu überdenken. Kaiphas war nicht der Mann hitzköpfiger und unüberlegter Entschlüsse. Er hatte nie die sorgfältig austarierte Balance zwischen Statthalter und Priesterschaft in Frage gestellt, vielmehr nach Kräften sich bemüht, das machtpolitische Gleichgewicht im Land zu stabilisieren. Wenn er jetzt den Präfekten vor allem Volk brüskierte und unter Druck zu setzen suchte, dann nicht, weil es ihm so gefiel. Es steckte Angst dahinter. Der alte Fuchs schätzte das Problem Jesus anders ein als er. Mehrmals hatte er versucht, Pilatus zur Mitarbeit zu überreden. Nun schlug er selber los und glaubte sich dabei im Einklang mit dem Interesse des römischen Imperiums an Ruhe und Ordnung.

Sah Kaiphas in einem am Passah vor den Massen ungehindert predigenden Jesus höchste Gefahr für Staat und Priesterschaft, so war die Verhaftung in der Nacht von Donnerstag auf Freitag die letzte Möglichkeit gewesen, sie abzuwehren, wenn – dies freilich war und blieb die Hauptbedingung – Pilatus’ Urteil samt Vollstreckung noch am Freitag wirksam wurde. Verging der Freitag ohne gerichtliche Entscheidung, blieb Jesus eingekerkert, doch am Leben, da während Sabbat und Passahfest Hinrichtungen verboten waren.

Jesus im Kerker – das schloss Pilatus sogleich aus. Wenn etwas geeignet war, den Mob auf die Straße zu rufen, dann eben dies. Wenn er das einsah, Kaiphas wusste es genauso gut. Freiheit oder Verurteilung zum Tode – es gab nichts Drittes. Taktik des Kaiphas war es, das zweite möglichst rasch herbeizuführen. Das war der Grund, weshalb er die Anklage radikal verändert, sie statt auf Gotteslästerung auf Hochverrat begründet hatte.

Pilatus schwankte. Wie konnte er so sicher sein, dass nichts



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